Positives Vorurteil als Vorverurteilung
- Kaminski
- Dezember 10, 2019 / 12. Kislew 5780
- Kunst & Architektur
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Das Suspekte ziganer Stoffe in den Künsten
Das Kölner Museum Ludwig steht gegenwärtig in der
Kontroverse, weil es das Gemälde >Zwei Zigeunerinnen mit Katze< des
Expressionisten Otto Mueller aus den Jahren 1926/27 als Bestandteil der bis
heute gegen Sinti und Roma grassierenden Vorurteile zeigt. (Aus urheberrechtlichen Gründen bilde ich hier
ein anderes Werk Muellers mit sehr ähnlichem Thema aus einer Privatsammlung ab.)
Zwar nehmen die unter dem braunen Regime als >entartet< verfemten Bilder
– Mueller starb 1930 – eine entschieden wohlmeinende, ins Leben der Fahrenden
wie eintauchende Sicht ein, doch darf
diese Betrachtungsweise auf die darunter verborgenen bedenklichen Klischees
ebenso hinterfragt werden wie die unverhüllt vorverurteilende Perspektive.
Mueller spann die Legende, er selbst habe unter fahrendem Volk gelebt, die eigene Mutter gar stamme davon ab. Bei den Zeitgenossen firmierte der Künstler unter >Zigeunermueller<. Ob Otto Mueller daher der geeignete Kandidat ist, um eine Mentalität zu dokumentieren, die den versuchten Genozid der braunen Brut an Sinti und Roma Vorschub leistete, bezweifle ich. Angesichts der Biographie Muellers zeigt sich eben nicht, was die malerische und dichterische Behandlung, ja Verwertung, des Sujets seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts oft prägt, die völlige Trennung von oft erosgeladener verklärender Imagination und dem tatsächlichen Leben der Fahrenden allenfalls geltender Ignoranz. Byam Shaws schwülstige >Carmen< aus dem Jahr 1910 lebt den einzig auf sexuelle Schlüsselreize fixierten Voyeurismus lefzengeifernd aus.
In Goethes >Goetz< heulen Fahrende wie mit den Wölfen
als schauerhaft nachtaktiv-attraktive Naturwesen, Bizets >Carmen< agiert
dem Sittenkodex nicht unterworfen jenseits von Gut und Böse. Verdis Azucena
verübt ihre vor Durst nach Vergeltung irre Rachetat. Auf Goethe, Verdi, Bizet
und auch den Maler Byam Shaw trifft die schnittmengenarme Parallelwelt ihrer
Kunstübung und der faktischen Verhältnisse von Sinti und Roma zu.
Obgleich keiner der Schöpfer dieser Werke in direktem
Zusammenhang mit rassistischer Ausgrenzung und Gewalt bis hin zum Genozid
steht, verdient untersucht zu werden, ob
darin eine zeitgeistige Unterströmung wirkt, die begünstigte, was an Sinti und
Roma verbrochen wurde und wird. Otto
Mueller freilich in diese Linie einzureihen, schlägt fehl. Wenn das Kölner Museum
Ludwig am Beispiel der >Zwei Zigeunerinnen mit Katze< Muellers Affinität
zu den Fahrenden als sentimentale und klischeebehaftete bloße Kehrseite
antiziganistischer Gehässigkeiten nachweisen möchte, versucht sich das Institut an der falschen
Person und am falschen Werk.