Giebel der Lateranbasilika, Rom. Foto Anna Klein

Keine Ewigkeitsgarantie

Eine der sonntäglichen Frühmessen in der Lateranbasilika, der Kathedrale des Papstes als Bischof von Rom: Mit vollendet einstudierter Geste zeigt der Priester vom Wuchs eines antiken Senatorenstandbildes den gut zwanzig Gottesdienstbesuchern zunächst die konsekrierte Hostie, wenig später den Kelch. Das Timing sitzt bis auf die Zehntelsekunde. Langsam erhebt der Zelebrant die Hostie, darauf streckt er sie ebenso urplötzlich wie kraftvoll-entschlossen in Richtung Gemeinde. Dies unter stetem Aufblick zum Himmel. Zeigung und Elevation währen exakt so lange, wie die Gläubigen dem Ereignis ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden können. Keine Frage, die Geste macht Effekt. Gottesdienst ist eben auch heiliges Spiel. Choreographie gehört dazu. Nicht anders in Roms heidnischen Zeiten. In Thornton Wilders Roman „Die Iden des März“ besteht Julius Caesar auf peinlich genauer Einhaltung kompliziertester Kultvorschriften. Choreographische Präzision fordert Roms Diktator und zugleich oberster Priester von seinem Klerus, weil das Volk nur durch genaueste Einhaltung der Bewegungsabläufe zu beeindrucken und gewinnen sei. Caesars religionspolitische Erlasse und Überlegungen entspringen dem religiösen Impetus Wilders. Historisch verbürgt ist hingegen das tatsächlich Abgezirkelte und Verwickelte römischer Kultübungen. Der Friedensaltar des Augustus zeigt die exakt sich bewegende und geordnete Opferprozession der kaiserlichen Familie. Anders als sein Oheim Caesar verzieh Augustus in kultischen Angelegenheiten wahrhaftig keine Nachlässigkeit.

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Israel auf unserer Seite, wir auf Seiten Israel

Israel auf unserer Seite, wir auf Seiten Israels

Ab und an lassen sich für den reisenden Kritiker nächtliche Zwischenaufenthalte in Bahnhofshallen nicht vermeiden. Solange der Laptop funktioniert und ein Kaffee zur Hand ist, Berufsroutine. Bei solcher Gelegenheit hörte ich an, wie eine blondbezopfte Frau fortgeschritten-mittleren Alters sich gegenüber einem offenbar vor der häuslichen Einsamkeit in den Bahnhof geflohenen Mann in ihr gleichen Jahren über den Anschlag der Hamas vom Vortag ausließ. Im Dirndlkostüm kam die Blondbezopfte von einem der vielen über die gesamte Republik verstreuten Satelliten-Oktoberfeste und wartete auf den Anschlusszug. Froh, dass jemand das Wort an ihn richtete, stimmte der kontaktarme Zuhörer ihr mindestens halb und halb zu. Die Pseudobajuwarin (nach eigenem Bekunden eine waschechte Nordwestdeutsche) billigte das Morden der Hamas als Widerstandsakt eines unterdrückten Volkes. Sicher grauenhaft, aber nun sei das Fass der Repressionen durch Israel übergelaufen. Die Israelis dürften sich daher nicht wundern. Mir verschlug’s die Sprache. Losen Mundes rechtfertigte die Blondbezopfte die Machenschaften einer Mörderbande. Vernachlässigenswert schienen ihr die über 1400 Massakrierten. Die 239 Geiseln in beständiger Todesangst. Einige von ihnen arglos Feiernde wie die mit der Untat sympathisierende Nordwestdeutsche. Bedrückten Gemüts fragte ich mich nach der Ursache solcher Parteiname für Schlächter.

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Mädchen mit Leopard, Beninbronze

Diplomatisches und kulturpolitisches Fiasko

Die Rückerstattung der Benin-Bronzen an Nigeria erweist sich als hochbedenklich. Zur Erinnerung: Ende 2022 übergaben Bundesaußenministerin Baerbock und Kulturstaatsministerin Roth die erlesenen Bildwerke aus deutschem Museumsbesitz an den inzwischen abgewählten nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari im Glauben, sie dem nigerianischen Volk abzutreten.

Ganz am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Skulpturen von deutschen Museen auf Londoner Auktionen erworben worden. Die britische Regierung hatte sie dort eingeliefert, um die Kosten einer den Briten sicher willkommenen Strafaktion gegen Oba Ovonramwen, den König Benins, eines Reiches auf einem Teilgebiet des heutigen Nigeria, herauszuschlagen. Veranlasst war der gewaltsame britische Übergriff durch die Morde an den Mitgliedern einer Gesandtschaft an den Oba Anfang Januar 1897. Von den 18 ihr angehörenden Briten kamen zwei mit dem Leben davon, zahlreiche der 240 afrikanischen Träger und weiteren Hilfskräfte fielen dem Massaker zum Opfer.

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