Israel auf unserer Seite, wir auf Seiten Israels

Israel auf unserer Seite, wir auf Seiten Israel
© Foto Ri_Ya

Verständnis für Hamas-Terror als Schnitt ins eigene Fleisch

Ab und an lassen sich für den reisenden Kritiker nächtliche Zwischenaufenthalte in Bahnhofshallen nicht vermeiden. Solange der Laptop funktioniert und ein Kaffee zur Hand ist, Berufsroutine. Bei solcher Gelegenheit hörte ich an, wie eine blondbezopfte Frau fortgeschritten-mittleren Alters sich gegenüber einem offenbar vor der häuslichen Einsamkeit in den Bahnhof geflohenen Mann in ihr gleichen Jahren über den Anschlag der Hamas vom Vortag ausließ. Im Dirndlkostüm kam die Blondbezopfte von einem der vielen über die gesamte Republik verstreuten Satelliten-Oktoberfeste und wartete auf den Anschlusszug. Froh, dass jemand das Wort an ihn richtete, stimmte der kontaktarme Zuhörer ihr mindestens halb und halb zu. Die Pseudobajuwarin (nach eigenem Bekunden eine waschechte Nordwestdeutsche) billigte das Morden der Hamas als Widerstandsakt eines unterdrückten Volkes. Sicher grauenhaft, aber nun sei das Fass der Repressionen durch Israel übergelaufen. Die Israelis dürften sich daher nicht wundern. Mir verschlug’s die Sprache. Losen Mundes rechtfertigte die Blondbezopfte die Machenschaften einer Mörderbande. Vernachlässigenswert schienen ihr die über 1400 Massakrierten. Die 239 Geiseln in beständiger Todesangst. Einige von ihnen arglos Feiernde wie die mit der Untat sympathisierende Nordwestdeutsche. Bedrückten Gemüts fragte ich mich nach der Ursache solcher Parteiname für Schlächter.

Wem Israel gehört

Ich mutmaße, die Billigung des Hamas-Terrors  beruht auf einer fundamental falschen Setzung: Der Auffassung, es handele sich bei den Palästinensern um ein indigenes Volk. Von den Israelis in schändlichster Kolonialistenmanier seines angestammten Landes beraubt. Wer das behauptet, irrt. Das Territorium, auf dem 1948 der Staat Israel gegründet wurde, befindet sich nach privatem Recht und dem Recht der Völker im Eigentum der Israelis, von Juden also und Arabern mit israelischer Staatsbürgerschaft. Das private Eigentum der Israelis an ihrem Grund und Boden ruht auf zwei Rechtspfeilern: Entweder kauften die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einwandernden Juden der dort ansässigen Bevölkerung die Grundstücke schlicht ab oder nahmen nach einem osmanischen Gesetz von 1858  das unbewirtschaftete Land der damals nur dünn besiedelten Region in ihr Eigentum. Auf diesem in der einen oder anderen Weise privatrechtlich erworbenen Boden wurde 1948 der Staat Israel gegründet. Völkerrechtlich wirksam. Von den Vereinten Nationen am 11. Mai 1949 als 59. Mitglied begrüßt. Auf dem nun israelischem Territorium hatte sich seit über einem Vierteljahrhundert kein Staat befunden. Denn nach Niederlage und Untergang des Osmanischen Reiches im ersten Weltkrieg stand das Gebiet bis 1948 unter von den Briten verwaltetem Völkerbundsmandat. Israel ist demnach mittelbar ein Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches, wie es etwa auch die einstigen Völkerbundsmandate Libanon und Syrien sind. Das Existenzrecht Israels ist das nämliche der beiden Nachbarstaaten. Einzig auf dieser Basis lassen sich der israelischen Annexions-, Siedlungs- und Besatzungspolitik Fragen stellen. Wer hingegen darauf zielt, den Staat Israel von der Landkarte zu tilgen, entschlägt sich aller Legitimation. Mag immer die Einverleibung der Golanhöhen ein völkerrechtlich zweifelhaftes Unternehmen sein, bedacht sein will: Von dort aus ließe sich ganz Israel unter Raketenbeschuss nehmen. Absehbar würde die Versuchung dazu durch die Verbrechen der Hamas und deren artilleristischem Hagel, Selbstmordattentätern und Terrortruppen aus dem Gazastreifen befeuert. Israel kämpft um seine Existenz, seine Bürgerinnen und Bürger um ihr Leben. Von den Israelis zu fordern, sich an die Regeln des Völkerrechts zu halten, Israels Feinde aber zu dispensieren, beweist allenfalls eines, Heuchelei.

Teil der freien Welt

Solidarität mit Israel bedeutet Einverständnis mit uns selbst. Mit unseren Begriffen von Freiheit in privaten und öffentlichen Angelegenheiten. Israel beflügelt intellektuell und durch weltläufige Lebensart. Ich muss dazu nicht erst des Landes literarische Spitzen wie die Romanciere Zeruya Shalev oder Dramatiker wie Joshua Sobol oder jüngere Autorinnen für das Theater wie die mit dem Mülheimer Dramatikerpreis des Jahres 2022 ausgezeichnete Sivan Ben Yishai und die sich in „Gott wartet an der Haltestselle“ facettenreich mit den palästinensischen Selbstmordattentätern auseinandersetzende Mara Arad Yasur nennen. Völlig genügt, ganz im Allgemeinen das Bild des avantgarde- und feierfreudigen Tel Aviv wachzurufen. Die blond-bezopfte nordwestdeutsche Dirndlträgerin in der nächtlichen Bahnhofshalle wäre, so unterstelle ich, alles Vorurteil vergessend alsbald vom volkstümlichen Kostüm in einen passend-mediterranen Fummel gesprungen, um dort abzuzappeln. Den Hamasleuten zum Ärgernis , Gräuel und Grund zum Abscheu. Eine Geächtete. Schlachtvieh wie die israelisch-deutsche Shani Louk auf dem „Supernova“-Festival. Im Gedenken an sie und die anderen Opfer der palästinensischen Terrorbanden verfinstert sich der

Schatten der deutschen Enthaltung bei der Abstimmung über die jüngste UN-Resolution gegen Israel zur Grabesnacht. Ob nun der Kanzler oder die Ressortchefin für das Auswärtige – eine Nachfolgerin Bismarcks, Stresemanns und Genschers -, die lauthals propagierte „wertegeleitete“, gar „feministische“ deutsche Außenpolitik leistet angesichts dessen, was derzeit den Israelis widerfährt, den Offenbarungseid. Mich packt das kalte Grauen.