Herr Fritz – Philharmoniker und Hausmeister
Victor Stein über sein Stück „Herr Fritz“ im Interview mit Michael Kaminski
MK: Herr Stein, bitte erzählen Sie uns in drei Sätzen den Inhalt Ihres Stückes.
VS: Sie müssen lediglich ein Theater schließen und ein Orchester liquidieren, schon sind Sie mitten im Thema. Konzertmeister Klaus Fritz findet sich als Schulhausmeister wieder.
MK: Klingt an den Haaren herbeigezogen.
VS: Mein Stück beruht auf Tatsachen. Klaus Fritz existiert in Fleisch und Blut.
MK: Möchten Sie das näher erklären?
VS: Nein.
MK: Sie nennen „Herrn Fritz“ ein „Leselustspiel“. Eine seltsame Gattungsbezeichnung.
VS: Eine einzigartige.
MK: Was hat es damit auf sich?
VS: Mein Stück ist nicht für die Bühne geschrieben. Die Komödie spielt sich im Kopf ab.
MK: Misstrauen Sie unseren Staats- und Stadttheatern?
VS: Nicht im Geringsten. Ich baue auf diese leistungsfähigen Institutionen.
MK: Aber Sie selbst zieht es nicht dorthin?
VS: Mit diesem Stück nicht.
MK: Das müssen Sie erklären.
VS: „Herr Fritz“ spielt n a c h der Schließung eines Theaters. Mein Leselustspiel in einem noch existierenden Haus aufzuführen, trägt den Widerspruch in sich.
MK: Ich denke, es kommt eher darauf an, welche imaginativen Kräfte Stück und Produktion beim Publikum freisetzen.
VS: Meinethalben soll ein Theater sich daran versuchen. Es wird scheitern.
MK: (Wartet ab.)
VS: Der Theatertod im Stück wird als pars pro toto aufgefasst werden. Die Häuser werden sich betroffen fühlen. Welches von ihnen wird schon freiwillig die Möglichkeit seines Scheiterns thematisieren? Ich kann das den Theatern nicht einmal verübeln.
MK: Hat die Pandemiesituation dafür Bedeutung?
VS: Sie wird den Unwillen verstärken. Ich betone noch einmal, begreiflicher Weise. Besonders fürchte ich für die kleinen Häuser und Orchester, solche, in denen meine Titelfigur Dienst tat.
MK: Sehen Sie nicht auch einen Hinderungsgrund für Ihr Stück in dem, was Ihre Titelfigur von sich gibt? Sie selbst bezeichnen „Herrn Fritz“ im Untertitel als „einen alternden weißen und heterosexuellen Mann“.
VS: Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Orientierung meiner Titelfigur – es handelt sich um Positionen, die ich durchaus kritisch sehe – den Ausschlag geben könnte. Hierzulande sind die Theater Orte freier Diskurse.
MK: Hinter vorgehaltener Hand ist bereits die Rede von Frauenfeindlichkeit.
VS: Du liebe Zeit. Da muss die Bereitschaft zu vorsätzlichem Missverständnis und zur Empörung aber groß sein. Ich nehme auf solche Gemütslagen keine Rücksicht.
MK: Sie messen Ihr Schreiben nicht an dessen Sensibilität für Genderfragen?
VS: Mein Schreiben bestimmt sich aus der Empfindung für den homo sapiens sapiens, eine gefährdete Spezies. Das gilt gleichermaßen für deren weiblichen und männlichen Teil.
MK: Sie widmen das Stück dem Vorbild für Ihre Titelfigur.
VS: Klaus Fritz.
MK: Wie viel vom Original steckt im „Leselustspiel“?
VS: Klaus, wie er noch immer in seiner einstigen Dienstwohnung neben der vor kurzem abgerissenen Schule lebt, ist ein Original, „Herr Fritz“ ebenso. Der eine ist es in Fleisch und Blut, der andere im Hirn jeder Leserin und jedes Lesers.
MK: Was sind Ihre Pläne?
VS: Ende Mai erscheint „Hermann“, ein Stück nicht allein über den Cherusker.
MK: Wieder eines ausschließlich für die Bühne im Kopf?
VS: Sie sagen es, ein „Lesespektakel“. Während der Schlacht im Teutoburger Wald zünden die Synapsen zur vollen Breitseite. Der einzige Artilleriebeschuss, der mir behagt. Ich bin ein friedlicher Mensch.