Jüdisches Tagesdatum:
29 Av 5785

(23/08/2025)

  • Bühne
  • Buch
  • Reise
  • Kunst & Architektur
  • Politik & Gesellschaft
  • Kommentar

Hilft bei Moralinvergiftung

Erschienen: 26. April 2022
Traugott Müller (1895-1944). Bühnenbildentwurf zur Uraufführung von „Neues vom Tage“

Paul Hindemiths Oper „Neues vom Tage“ – Folge 1

Wie sehr musste ein Bühnenwerk ins Schwarze treffen, wenn der Erzhetzer Goebbels in seiner Sportpalast-Rede vom siebten Dezember 1934 darüber geiferte:  „Das ist es ja, dass Gelegenheit nicht nur Diebe, sondern auch atonale Musiker macht, die, um der Sensation zu dienen und dem Zeitgeist nahezubleiben, nackte Frauen auf der Bühne in obzönsten und kitschig-gemeinsten Szenen im Bade auftreten lassen und sie […] mit den misstönendsten Dissonanzen einer musikalischen Nichtskönnerei umgeben.“

Goebbels zielte auf Paul Hindemiths Oper „Neues vom Tage“. Das am achten Juni 1929 in der Berliner Kroll-Oper unter dem Dirigat von Otto Klemperer uraufgeführte Werk war keine völlige Novität mehr. Der prominenteste Kabarett-Texter seiner Zeit hatte das Libretto verfasst, Marcellus Schiffer (1892–1932).  „Neues vom Tage“ treibt frivolen Schabernack mit dem in fortschrittlichen Kreisen schon damals als antiquiert empfundenen Scheidungsrecht nach dem Schuldprinzip: Das trennungserpichte Ehepaar Laura und Eduard stolpert von einem Missgeschick ins nächste. Es fehlt schon am juristisch unerlässlichen Scheidungsgrund. Selbst professionelle Hilfe führt nicht zum Ziel.

Denn der vom Ehepaar engagierte Nebenbuhler in Gestalt des „schönen“ Herrn Hermann entfacht, als ihn Eduard verabredungsgemäß beim Stelldichein mit Laura im Kunstmuseum zu überraschen vorgibt, solche Eifersucht im Noch-Gemahl, dass eine berühmte Venusstatue zu Bruch geht. Haft für und exorbitante Schadenersatzforderungen gegen Eduard schließen jeden weiteren Gedanken an einen kostspieligen Scheidungsprozess aus.  Immerhin verguckt sich – wider die Gebote seines Berufsstandes – der professionelle Scheidungsgrund in Laura und beschleicht sie im zwischen zwei Gästezimmern gelegenen Bad eines ehrbaren Hotels.

Wie gerufen betritt Lauras Zimmernachbarin das Bad, schreit Skandal und ruft den entrüsteten Hoteldirektor samt einer Armada pikierter Zimmermädchen auf den Plan. Künftig füllen der Kunstzertrümmerer Eduard und die durch den Eklat in der Hotelbadewanne kompromittierte Laura gemeinsam die Klatschspalten. Um endlich die Kosten für den Scheidungsprozess aufzubringen, lassen sich die beiden auf Angebote aus der Unterhaltungsindustrie ein.

Allabendlich reproduziert das Ehepaar wider Willen seinen Zwist als Hauptattraktion der namhaftesten Cabarets und Varietés auf dem Erdenrund. Mit der Zeit wächst aus dem geteiltem Los neuerliche Zuneigung. Doch hintertreiben Publikum und Medien das sich anbahnende happy end. Längst haben Paar und Darbietung Warencharakter angenommen. Laura, Eduard und ihre Story sind Markenprodukt.

Hier können Sie Teil 1 der Oper hören:

Vorheriger Beitrag
Biblischer Caféhausliterat
Nächster Beitrag
Kabarett und Revue

Neueste Beiträge

Kaminski liest

Dietmar Dath: Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht. Eine Übung in digitalem Dämonenfaschismus. In: Theater der Zeit. April 2025. S.45-60.

Erschienen: vor 2 Monaten

In der Welt des im Februar beim Augsburger Brechtfestival uraufgeführten Stücks besteht Herrschaft im Datenakkumulieren und Verarbeiten. Menschen mästen sich mit Informationen, um Oberhand zu behalten. Vergeblich. Längst haben die von ihnen erschaffenen Clouds sich zu Künstlicher Intelligenz…

Kuratierte Beiträge

MONOPOL

Erschienen: vor 2 Monaten
Jordan Wolfson möchte künstlerischen Mehrwert aus dem Tausch virtueller Realitäten ziehen. Das Unternehmen ist gespenstisch. Lesen Sie hier: www.monopol-magazin.de/jordan-wolfson-vr-installation-little-room-fondation-beyeler
Kuratierte Beiträge

CONCERTI

Erschienen: vor 2 Monaten
Michael Kaminski bespricht Gija Kantschelis Unheil vorausahnende und das Gemüt packende Oper „Musik für die Lebenden“ am Theater Bonn. Lesen Sie hier: https://www.concerti.de/oper/opern-kritiken/theater-bonn-musik-fuer-die-lebenden-15-6-2025/
Kuratierte Beiträge

TRANSCRIPT VERLAG

Erschienen: vor 2 Monaten
Das Verlagshaus baut immer wieder auf Open Source. Wunderkammern warten mit einer der Postpostmoderne verwandten Ordnung auf. Lesen Sie hier: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7559-7/wunderkammern-als-kuenstlerische-praxis/?c=310000017
Kuratierte Beiträge

HARPER’S MAGAZINE

Erschienen: vor 2 Monaten
Dean Kissicks Essay über die zeitgenössische Kunst hat das Zeug zum Klassiker. Viel ist arg tagesaktuell, mehr noch allgemeingültig. Lesen Sie hier: https://harpers.org/archive/2024/12/the-painted-protest-dean-kissick-contemporary-art/

Kategorien

Kuratierte Beiträge 64

Bühne 30

Politik & Gesellschaft 14

Kunst & Architektur 12

Buch 7

Reise 7

Kommentar 5

Tipp 3

Kaminski liest 2

KURATIERTE BEITRÄGE

MONOPOL

Erschienen: 2 Juli um 18:57 Uhr
Jordan Wolfson möchte künstlerischen Mehrwert aus dem Tausch virtueller Realitäten…
Beitrag lesen

CONCERTI

Erschienen: 2 Juli um 18:51 Uhr
Michael Kaminski bespricht Gija Kantschelis Unheil vorausahnende und das Gemüt…
Beitrag lesen

TRANSCRIPT VERLAG

Erschienen: 2 Juli um 18:36 Uhr
Das Verlagshaus baut immer wieder auf Open Source. Wunderkammern warten…
Beitrag lesen

HARPER’S MAGAZINE

Erschienen: 2 Juli um 18:15 Uhr
Dean Kissicks Essay über die zeitgenössische Kunst hat das Zeug…
Beitrag lesen

BACHMANN-PREIS

Erschienen: 2 Juli um 17:59 Uhr
Auch wenn die Siegespalme bereits vergeben wurde, bleibt die Lektüre…
Beitrag lesen

THE JERUSALEM POST

Erschienen: 5 Juni um 13:14 Uhr
Ein spätantikes Mosaik aus der Negev-Wüste widerlegt die Klischees von…
Beitrag lesen

THE GUARDIAN

Erschienen: 5 Juni um 12:56 Uhr

Die Literatur der jungen Britin Sara Sams greift mitten hinein ins volle Leben…

Beitrag lesen

NACHTKRITIK

Erschienen: 5 Juni um 12:41 Uhr

In seinem Essay fragt Nicola Bremer nach der gesellschaftlichen Konsequenz eines Theaters…

Beitrag lesen

JÜDISCHE ALLGEMEINE

Erschienen: 5 Juni um 12:17 Uhr

Thomas Mann empfand sich als Freund jüdischer Menschen. Ob diese aber…

Beitrag lesen

ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER

Erschienen: 5 Juni um 12:05 Uhr

Manche seiner Periodika stellt das Deutsche Archäologische Institut zum offenen Zugang…

Beitrag lesen

Kontakt

info@kultur-kaminski.de

Rechtliches

Impressum
Datenschutz

 

© 2025 Copyrights by Michael Kaminski. All rights reserved.

 

Diese Website verwendet Cookies, um Ihr Nutzungserlebnis zu verbessern. Wenn Sie die Seite weiterhin nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.