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Krzysztof Penderecki +

Erschienen: 3. April 2020
Secretaría de Cultura de la Nación , Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE

Am 29. März starb im Alter von 86 Jahren nach langer schwerer Krankheit in Krakau der polnische Komponist Krzysztof Penderecki. Die Nachrufe sind Legion und für die Zukunft hoffe ich auf Beiträge, die das Schaffen dieses Großmeisters der Nachkriegsmoderne dem heutigen wie dem künftigen Publikum weiterhin nahebringen. Daher an dieser Stelle lediglich die persönliche Erinnerung an einen Tonsetzer, der zum geistigen Leben eines – gegenwärtig neuerlich angefochtenen – freiheitlichen und demokratischen Polen Entscheidendes beigetragen hat.

Meine Erinnerung verbindet sich allererst mit der Aufführung von Pendereckis >Polnischem Requiem< zum 50. Jahrestag des deutschen Einmarsches ins östliche Nachbarland am ersten September 1989 in der Frankfurter Alten Oper, für die der Student, statt auf vergünstigte Billetts an der Abendkasse zu hoffen, eine Karte im Vorverkauf erworben hatte. Penderecki selbst stand dem NDR-Symphonieorchester vor. Die opernhafte Verve des Werks übertrug sich ähnlich umstandslos auf die übergroße Mehrheit des Publikums im ausverkauften Auditorium wie das bei Aufführungen von Verdis Totenmesse der Fall ist. Während aber bei aller Grandiosität Verdis Requiem letztlich dem Diesseits verhaftet bleibt, öffnet sich Penderecki zu Transzendenz und Auferstehung und somit final zum Leben hin.

Dass dieser unabhängige Geist Christ, gar ein Katholik, war, das hat er nie verhehlt. Doch verkörperte Penderecki jene weltläufige, liberale, elegante und edelmütige, dabei nie ins fröhliche Ungefähr abdriftende Spielart der Konfession, die Freunde außerhalb dogmatischer, konfessioneller und religiöser Grenzen gewinnen kann. Im Frankfurter Publikum freilich sprangen einige Gestrige geräuschvoll von den Sitzen, um das Auditorium türenschlagend zu verlassen. Wohl keineswegs primär aus Protest gegen Pendereckis Musik oder deren Ausführung, geschweige seinen Katholizismus. Vielmehr schien den Protestlern die Totenmesse in Verbindung mit der Erinnerung an das geschichtliche Datum geeignet, eben dort Provokation zu unterstellen, wo eindeutig Versöhnung angeboten wurde.

Der flegelhafte Protest in die Musik hinein rechtfertigte mir die Aufführung nun doppelt. Mir wurde klar, auf wie tönernen Füßen die Beziehungen zu unseren polnischen Nachbarn damals noch standen, trotz >Ostdenkschrift< der EKD, trotz des historischen Briefwechsels der polnischen und deutschen Bischöfe, beide aus dem Herbst 1965, trotz Willy Brandts Kniefall und auch der Aufführung von Pendereckis >Polnischem Requiem< an diesem ersten September 1989 in der Frankfurter Alten Oper. Kunst, Langmut und Weitsicht aber begabten Penderecki, in der Intensität seiner Verbindungen zu uns Deutschen nicht nachzulassen und im Letzten unwiderstehliche menschliche und musikalische Brücken zu bauen.

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