Jüdisches Tagesdatum:
10 Tammuz 5785

(06/07/2025)

  • Bühne
  • Buch
  • Reise
  • Kunst & Architektur
  • Politik & Gesellschaft
  • Kommentar

Brandreden aus der hessischen Landeshauptstadt

Erschienen: 29. April 2020
Anzahl der Aufrufe: 23
Hessisches Staatstheater Wiesbaden, martinkaufhold.de, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Staatstheaterintendant Uwe Eric Laufenberg donnerwettert wider die Hygienediktatur

Vor kurzem las ich in >Volltext<, der in Wien erscheinenden Literaturzeitschrift, ein Interview mit Esther Kinsky (Ausgabe 01/20). Die Schriftstellerin und Übersetzerin wurde darin zu den Kriterien befragt, die jungen Leuten erlauben, eine mögliche Berufung zum Autorendasein zu verifizieren. Zudem gab Kinsky Ratschläge für angehende SchriftstellerInnen. Weder die Indikatoren hinsichtlich der Berufung noch die Ratschläge mochte ich gänzlich teilen. Manchem widerspreche ich massiv. Dennoch empfehle ich den Text allen angehenden AutorInnen.

Kaum anders geht es mir mit Uwe Eric Laufenbergs sieben >Solo-Diskursen<. Der Hausherr des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden schreit darin seine und die Not seiner von ihm in den letzten Jahren künstlerisch unter anderem durch Mozart- und Wagnerproduktionen profilierten Bühne förmlich heraus. Das Wiesbadener Staatstheater ist nicht allein wie so viele andere Institute durch den Ausfall von Premieren und Repertoirevorstellungen schwer gebeutelt. Auch die Internationalen Maifestspiele mussten abgesagt werden. Zwar geht es noch schlimmer, etwa wenn ich an die Strasbourger Opéra national du Rhin denke, die Ende 2018 mit einem islamistischen Terroranschlag konfrontiert war, vor einem Jahr mit dem Tod ihrer unentwegt innovativen Intendantin Eva Kleinitz und wegen der Covid-19-Situation das diesjährige Arsmondo-Festival samt der dafür geplanten Uraufführung zu canceln gezwungen war.

Womit aber Laufenberg für sich einnimmt, ist das Existentielle seines Anliegens und seines Furors, die in manchem Augenblick ans Rechten Ijobs mit seinem Schöpfer erinnern. Dass Laufenberg die Freiheit dem Leben voranstellt, dass er – letztlich –  den Tod in Kauf nehmen würde,  um der Unfreiheit zu entrinnen, gebietet ihm die Natur seiner Berufung zur Kunst. Ganz im Begriff Schillers ist für ihn der Mensch nur dort einer, >wo er spielt<. Ob Laufenberg aber mit der Entgegensetzung von Freiheit und Leben angesichts der grauenhaften Geschehnisse in Spanien, Italien und dem von Wiesbaden für einen Wochenendausflug bequem erreichbaren Elsass nicht mindestens partiell einem Scheinwiderspruch aufsitzt, darüber muss gestritten werden. Das sage ich als jemand, der mit den Hufen scharrt, um endlich wieder aus der Scala, dem La Monnaie, aus Strasbourg und eben auch Wiesbaden zu berichten.

Was Laufenbergs Bekennerhaltung final beglaubigt, ist die Tat. Die Erweiterung seiner Patientenverfügung, in der er nun für den Fall einer Covid-19-Erkrankung die Intubation untersagt. Dass seine Philippika ambivalenter herüberkommt, als er vielleicht denkt, spricht eher für ihn. Oft höre ich Posa heraus, manches Mal freilich Bruscon.  So wächst denn aus Schiller und Thomas Bernhard eine Dialektik, die sich hören  lassen kann.

P.S. Der Wiesbadener Intendant geht ab dem vierten Mai mit dem Probenbeginn für eine Beckett-Trilogie aus >Glückliche Tage<, >Warten auf Godot< und >Endspiel< ans Werk. Rolf und Marianne Glittenberg besorgen die Ausstattung. Gespielt werden soll vor nach Vorschrift ausgedünntem Auditorium. Notfalls wird die Produktion online übertragen oder auf eine Wand des Wiesbadener Staatstheaters projiziert.

Vorheriger Beitrag
Lippische Schweiz
Nächster Beitrag
VI

Neueste Beiträge

Kaminski liest

Dietmar Dath: Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht. Eine Übung in digitalem Dämonenfaschismus. In: Theater der Zeit. April 2025. S.45-60.

Erschienen: vor 3 Tagen

In der Welt des im Februar beim Augsburger Brechtfestival uraufgeführten Stücks besteht Herrschaft im Datenakkumulieren und Verarbeiten. Menschen mästen sich mit Informationen, um Oberhand zu behalten. Vergeblich. Längst haben die von ihnen erschaffenen Clouds sich zu Künstlicher Intelligenz…

Kuratierte Beiträge

MONOPOL

Erschienen: vor 4 Tagen
Jordan Wolfson möchte künstlerischen Mehrwert aus dem Tausch virtueller Realitäten ziehen. Das Unternehmen ist gespenstisch. Lesen Sie hier: www.monopol-magazin.de/jordan-wolfson-vr-installation-little-room-fondation-beyeler
Kuratierte Beiträge

CONCERTI

Erschienen: vor 4 Tagen
Michael Kaminski bespricht Gija Kantschelis Unheil vorausahnende und das Gemüt packende Oper „Musik für die Lebenden“ am Theater Bonn. Lesen Sie hier: https://www.concerti.de/oper/opern-kritiken/theater-bonn-musik-fuer-die-lebenden-15-6-2025/
Kuratierte Beiträge

TRANSCRIPT VERLAG

Erschienen: vor 4 Tagen
Das Verlagshaus baut immer wieder auf Open Source. Wunderkammern warten mit einer der Postpostmoderne verwandten Ordnung auf. Lesen Sie hier: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7559-7/wunderkammern-als-kuenstlerische-praxis/?c=310000017
Kuratierte Beiträge

HARPER’S MAGAZINE

Erschienen: vor 4 Tagen
Dean Kissicks Essay über die zeitgenössische Kunst hat das Zeug zum Klassiker. Viel ist arg tagesaktuell, mehr noch allgemeingültig. Lesen Sie hier: https://harpers.org/archive/2024/12/the-painted-protest-dean-kissick-contemporary-art/

Kategorien

Kuratierte Beiträge 64

Bühne 30

Politik & Gesellschaft 14

Kunst & Architektur 12

Buch 7

Reise 7

Kommentar 5

Tipp 3

Kaminski liest 2

KURATIERTE BEITRÄGE

MONOPOL

Erschienen: 2 Juli um 18:57 Uhr
Jordan Wolfson möchte künstlerischen Mehrwert aus dem Tausch virtueller Realitäten…
Beitrag lesen

CONCERTI

Erschienen: 2 Juli um 18:51 Uhr
Michael Kaminski bespricht Gija Kantschelis Unheil vorausahnende und das Gemüt…
Beitrag lesen

TRANSCRIPT VERLAG

Erschienen: 2 Juli um 18:36 Uhr
Das Verlagshaus baut immer wieder auf Open Source. Wunderkammern warten…
Beitrag lesen

HARPER’S MAGAZINE

Erschienen: 2 Juli um 18:15 Uhr
Dean Kissicks Essay über die zeitgenössische Kunst hat das Zeug…
Beitrag lesen

BACHMANN-PREIS

Erschienen: 2 Juli um 17:59 Uhr
Auch wenn die Siegespalme bereits vergeben wurde, bleibt die Lektüre…
Beitrag lesen

THE JERUSALEM POST

Erschienen: 5 Juni um 13:14 Uhr
Ein spätantikes Mosaik aus der Negev-Wüste widerlegt die Klischees von…
Beitrag lesen

THE GUARDIAN

Erschienen: 5 Juni um 12:56 Uhr

Die Literatur der jungen Britin Sara Sams greift mitten hinein ins volle Leben…

Beitrag lesen

NACHTKRITIK

Erschienen: 5 Juni um 12:41 Uhr

In seinem Essay fragt Nicola Bremer nach der gesellschaftlichen Konsequenz eines Theaters…

Beitrag lesen

JÜDISCHE ALLGEMEINE

Erschienen: 5 Juni um 12:17 Uhr

Thomas Mann empfand sich als Freund jüdischer Menschen. Ob diese aber…

Beitrag lesen

ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER

Erschienen: 5 Juni um 12:05 Uhr

Manche seiner Periodika stellt das Deutsche Archäologische Institut zum offenen Zugang…

Beitrag lesen

Kontakt

info@kultur-kaminski.de

Rechtliches

Impressum
Datenschutz

 

© 2025 Copyrights by Michael Kaminski. All rights reserved.

 

Diese Website verwendet Cookies, um Ihr Nutzungserlebnis zu verbessern. Wenn Sie die Seite weiterhin nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.