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Reisevignetten aus der Mark Brandenburg II

Erschienen: 22. August 2022
Anzahl der Aufrufe: 67
Gotteshaus als feste Burg. Der Westbau des Havelberger Doms
Von Mätes II. – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Havelberg, Dom – trutzige Gottesburg und filigraner Schrein

Die das Umland überschauende Lage hoch über der Havel bietet sich für eine Festung oder weithin sichtbares Gotteshaus geradezu an. Die Slawen entschieden sich für ein Heiligtum. Als im Jahr 948 Kaiser Otto I. in die Region vordrang, gründete er, um ihr das christliche Gepräge aufzudrücken, zeitgleich die Bistümer Brandenburg und Havelberg. An Stelle des slawischen Sanktuariums erhob sich nun eine der Gottesmutter geweihte Bischofskirche. Keine vier Jahrzehnte später mussten die Invasoren die Gegend wieder räumen. Zwei Jahrhunderte später waren sie zurückgekehrt und hatten sich durchgesetzt, im Gefolge der Ritterheere der junge Orden der Prämonstratenser, aus dessen Reihen Domherren und Bischöfe stammten.

Freilich war die Gegend um 1150 entweder noch immer umkämpft oder die Slawen waren erst jüngst niedergerungen, als sich vor Ort jene neue Kathedrale im Bau befand, deren Weihe 1170 begangen wurde. Dieser romanische Dom steckt noch heute in der einstigen Bischofskirche. Kenntlich  an der Dreiturmfassade des eher ein Bollwerk als die Schauseite eines Gotteshauses vorstellenden Westbaus, dessen romanische Bruchsteingeschosse sich abweisend und nahezu ungegliedert als Riegel vor die Kathedrale schieben. Die beiden aus Ziegeln ausgeführten Obergeschosse lassen bereits das leichtere Sein an der Schwelle zur Gotik anklingen.

Das Bild setzt sich im Inneren fort. Über den romanischen Arkaden schwingt sich die Kathedrale seit dem späten 13. Jahrhundert von den gotischen Hochwänden ausgehend zu den Gewölben auf. Im nördlichen Seitenschiff evozieren sechs das Leben Jesu erzählende Glasfenster des frühen 15. Jahrhunderts die mystische Lichtfülle gotischer Kathedralen. Ans Ende des Vorgängerjahrhunderts gehört der Lettner. Auch seine Reliefs erzählen Jesu Leben. Ihr leicht ungelenker Stil soll eine regionale Schule belegen. Desto erstaunlicher die an seiner Südwand aufgestellte anmutige Madonna, offenbar ein Reflex des aus Böhmen an die Havel gelangten „Schönen Stils“.  

Havelberg, Dom. Inneres

Von den unmittelbar an den Dom schließenden Stiftsgebäuden gehen Zucht und Eleganz monastischen Lebens nach prämonstratensischen Regeln aus. Der dreiflügelige Komplex mit Kapitelsaal und darüber befindlichem Dormitorium datiert um 1170. Erst im Jahrhundert darauf wurde ihm der Kreuzgang vorgelegt. Immer wieder versuchten die Bischöfe ihre Rechte auf die unterhalb des Dombergs und von ihr durch einen künstlichen Havelarm getrennte Stadt auszudehnen, was indessen die Brandenburger Markgrafen zu verhindern wussten. Ohnehin residierten die Havelberger Oberhirten seit dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts nicht mehr vor Ort. Sie hatten die Bischofsburg zu Wittstock an der Dosse zu ihrem ständigen Aufenthalt erwählt. Die einschlägige Fachliteratur nennt keinen Grund. Schon 1506 trat das Domkapitel zum Protestantismus über, 1598 wurde das Bistum aufgelöst. Die Domherren freilich behielten ihre Pfründen. Die barocke Dechanei und die benachbarte Vizedechanei bezeugen die fortgesetzte Stiftsherrlichkeit.

Havelberg, Dom. Madonna vom Lettner.

Der Ausblick vom Domberg auf die Stadt weckt ebenso das Verlangen, im Bild festgehalten zu werden wie Verständnis für die bischöflichen Begehrlichkeiten, sich des blühenden Gemeinwesens zu versichern. Dafür, dass auch das Domkapitel immer wieder mit den Bürgern drunten in der Ebene in langwierige juristische Händel geriet, weiß das in den gotischen Stiftsgebäuden untergebrachte Museum zu interessieren.

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